Kalibrierung gescannter Karten (mit Stolpersteinen)

  • Text, geschrieben von Gerhard am 24.04.2003 in der Rubrik:
    Projektionen, Datums, Kalibrieren, über Landkarten


    ========Kalibrierung gescannter Karten (mit Stolpersteinen)=======
    Hallo,


    Anlass dieses Berichts waren die Bemühungen, die fehlerbehafteten Karten von Griechenland doch noch einigermassen GPS-tauglich zu machen. Konkrete Erfahrungen und eine Bewertung der griechischen Karten habe ich in einem separatem Beitrag beschrieben. In diesem Beitrag geht es um den Schwerpunkt Kalibrierungstechnik und Tricks, die sich auch auf andere Kartenwerke übertragen lassen, denn leider gibt es insbesonders für den Süden Europas weder digitales Kartenmarterial und viele der verfügbaren Karten sind alles andere als GPS-tauglich (mangelhafte oder fehlende Koordinatenangaben u.a. bei Kompass, Freytag Berndt & Co.). Ich muss aber vorausschicken, dass ich kein Kartograph oder Geodät bin und mir vieles mühevoll selbst angeeignet oder aus Foren erlernt habe und diese Erfahrungen hiermit weitergebe. Für Verbesserungen, Anregungen bin ich dankbar.


    Die ideale und einfachste Kalibrierung wäre eine Projektionskalibrierung, aber leider habe ich ausser Seekarten, UTM und einigen nationalen Gitter-Projektions-Karten noch keine Karten gesehen, die alle dazu notwendigen Infomationen (Projektionsparameter etc.) enthalten.


    1. Schritt wird in der Regel eine "Längen/ Breitengrad Gitter" Kalibrierung sein. Regeln: Kalibrierungspunkte sollten möglichst gleichmässig über die Karte verteilt sein, Randpunkte so weit wie möglich am Rand suchen. Die 3*3 Kalibrierung kann Projektionsverzerrungen herausrechnen. Zur vereinfachten Handhabung empfiehlt es sich dennoch mit der 2*2 Kalibrierung anzufangen und erst im zweiten Schritt auf 3*3 zu gehen. Das Programm schlägt bei dieser Reihenfolge selbst Zwischenpunkte vor und erleichtert die Tipparbeit. Das Mapdatum sollte, sofern bekannt, angegeben werden. Dies kann aber jederzeit später geändert werden, ohne dass sich die Position oder die Koordinaten der Kalibrierungspunkte ändern. (Als Vorgriff: Das einzige was sich ändert, wären Punkte, Tracks die vom GPS geladen wurden, die verändern mit dem Mapdatum ihre Position in der Karte, mehr dazu später.)


    Leider entprechen viele gedruckte Kartengitter nicht den Idealvorstellungen, daher für diese Fälle einige Zwischenschritte:


    Erschwernis a) Die Gitterkoordinaten sind nur am Rand angedeutet, das Gitter ist nicht durchgezogen. (in einigen Fällen gibt es in den Karteneckpunkten beide Koordinatenwerte, dann wären zumindest 2*2 Punkte vorhanden.) Zur Ermittlung der Gitter-Kreuzungspunkte gibt es verschiedene Methoden. Einmal wäre es möglich, vor dem Scannen die Randgitter mit Bleistift zu verbinden. Ähnliches kann man mit einem Grafikprogramm im gescannten Datensatz machen.


    Ich verwende einen anderen, mit TTQV sehr leicht zu handhabenden Trick, der zudem die Karte nicht verunstaltet.


    a1) Grobkalibrierung: ich kalibriere die Karte grob mit 2*2, indem ich die Keuzungspunkte der Randgitter auf der Karte (möglichst in Randnähe) abschätze, also wirklich nur "Pi mal Daumen". Das Kartendatum ist zunächst belanglos. Diese Kalibrierung speichere ich ab.


    a2) Erstellen eines Hilfsgitters zur Kalibrierung: Jetzt erstelle ich auf dieser grob kalibrierten Karte mit "Autonew" eine Route und zwar so, dass alle benötigten Gitterlinien von einem Rand zum anderen verbunden werden, jeweils für beide Koordinatenrichtungen (Routennetz). Damit habe ich als Kreuzungspunkte die Schnittpunkte der Gitterlinien, mit denen ich jetzt 3*3 Gitterlinien kalibriere. Diese Methode geht natürlich (wie die oben genannten Alternativen) von der Annahme aus, dass die Gitterlinien nicht gekrümmt sind, was aber für den Massstab 1:50000 sicher gültig ist. Auch bei Karten 1:250000 dürfte der Fehler gering sein.


    Achtung: die Kalibrierung komplett durchführen und erst dann speichern, denn nach Speicherung der Kalibrierung ist das Hilfs-Gitter-Routennetz natürlich verschoben. Auch eine Nachkalibrierung ist damit nicht möglich, bzw. das Hilfsgitter müsste nach einer Speicherung neu erzeugt werden. Am besten diese Hilfsroute gleich löschen.


    Erschwernis b): es sind nur wenige Gitterlinien oder Koordinatenwerte am Kartenrand vorhanden. Möglicherweise liegen die ersten nutzbaren Gitterkreuzungspunkte sehr weit vom Kartenrand weg, weil beispielsweise eine Detailkarte, Legende oder Sonstiges an einem Kartenrand abgebildet wird. (insbesonders bei Karten vom "zerfransten" Griechenland.) Die Gitterkalibrierung setzt aber voraus, dass eine Gitterline an allen Kreuzungspunkten sichtbar ist. Workaround: freie Kalibrierung mit 9 Punkten verwenden. Jeder dieser 9-Punkte kann unabhängig definiert werden (9 Koordinatenpaare sind einzugeben). Auch hier empfiehlt es sich, zunächst eine grobe Gitterkalibrierung durchzuführen (auch wenn Kreuzungspunkte geschätzt werden), weil hierdurch Tipparbeit und Fehler reduziert werden. Es werden Startwerte für die 9 Punkte vorgeschlagen und nur die letzten Stellen der Koordinaten müssen geändert werden. Die 9 Punkte sollten ähnlich einer 3*3 Kalibrierung möglichst gleichmässig über die Karte verteilt sein. Ausserhalb der Kalibrierungspinkte wird der Fehler deutlich ansteigen. Sollte einer der Punkte falsch sein (Tipp- oder Kartenfehler) kann das Ergebnis unvorhersehbare Fehler enthalten. (Kontrollmöglichkeit siehe Schritt 2.) In Zweifelsfällen ist es besser eine einfachere Projektionskalibrierung zu verwenden, auch wenn die Parameter oder die Projektion unbekannt sind (siehe unten).


    2. Schritt, Kontrolle der Kalibrierung mit anderen Gitterwerten: Nach gespeicherter Kalibrierung müssen auch Zwischenwerte (bzw. andere Werte am Kartenrand) mit dem aufgedruckten Gitter übereinstimmen. Entweder mit Maus auf das aufgedruckte Gitter fahren, Werte in Statuszeile ablesen, kontrollieren oder Gitteranzeige mit Icon einschalten. Dabei gezielt Zwischengitterpunkte überprüfen, die nicht zur Kalibrierung herangezogen wurden. Schon hier erkennt man bei einigen Karten, dass die Gitterstummel am Rand Fehler haben. Wenn alle Gitter einen Versatz in gleicher Richtung haben (mit Ausnahme der zur Kalibrierung verwendeten Gitterwerte), liegt der Schluss nahe, dass ausgerechnet mein Kalibrierungsgitter falsch ist. In diesen Fällen Kalibrierung mit anderen Gitterwerten wiederholen. Bilden die vom Programm eingeblendeten Gitterlinien komische Wellenlinien oder verlaufen die Gitter an jedem Kartenrand anders und schief, dann liegt auch der Schluss einer falschen Kalibrierung nahe, was bei einer schlechten 9-Punkt Kalibrierung vorkommen kann. So krumm ist keine Projektion, zumindest nicht in einem Kartenmassstab der uns interessiert. In Zweifelsfällen einfachere Projektionskalibrierung, siehe unten.


    3. Schritt, Kontrolle durch eigene, gemessene Punkte oder Tracks, bzw. Tracks, Punkte aus anderen ZUVERLÄSSIGEN QUELLEN: Bis zu Schritt 2) ist das für die Kalibrierung verwendete Mapdatum noch völlig gleichgültig. Erst mit der Darstellung von realen, gemessenen GPS-Punkten, also dem Download vom GPS-Gerät, kommt die Wahrheit ans Licht. Merke: beim Download vom GPS-Gerät spielt weder das eingestellte Kartendatum im Gerät, noch das aktuelle Anzeigedatum in TTQV eine Rolle. Ein konstanter Versatz zwischen Kartendarstellung und eigenen Tracks/ Wegpunkten deutet auf ein falsches Kartendatum der Kalibrierung hin. Dieses kann jederzeit geändert werden, ohne dass die Kalibrierungspunkte neu gesetzt werden müssen. Dazu im Menü Karte kalibrieren aufrufen, dort das neue Kartendatum einstellen und speichern. Damit kann man sich auch experimentell an das Kartendatum herantasten, allerdings gibt es je nach Kartengebiet nur wenige sinnvolle Möglichkeiten. Hinweis: bei diesem Versuchen muss wirklich das Kartendatum im Kalibrierungsfenster verändert werden. Wenn ich das Kartendatum nur über das Fenster "Einstellungen" ändere, werden alle Koordinaten, auch meine gemessenen GPS Punkte umgerechnet. Kartendarstellung und Tracks/ Wegpunkte vom GPS behalten aber ihre relative Lage zueinander.


    Abweichungen durch falsches Kartendatum sind in der Regel im Bereich von einigen hundert Metern und über den gesamtem Kartenbereich gleich oder ähnlich verschoben. (worst case 1,5km bei exotisch falschem Kartendatum.) Nicht systematische Abweichungen deuten auf eine fehlerhafte Kalibrierung hin. Neben möglicher Fehler beim Setzen der Punkte oder zumeist bei der Eingabe der Koordinatenwerte, liegt die Ursache bei den griechischen Karten an falsch angegebenen Koordinatenwerten auf der Karte. Dies trifft vor allem für die Karten vom Verlag ROADMAP zu.

    Nur bei nicht sinnvollen Ergebnissen (Kartenfehler, unzureichende Koordinatenangaben) Schritt 4: Sind Abweichungen zwischen Realität (=Track) und Karte unsystematisch, ist mit den Koordinatenwerten auf der Karte etwas faul. Wenn vom Kartengebiet andere Karten mit ähnlichem Massstab vorhanden sind, die eine intakte Kalibrierung haben (oft Überlappungen der Karten), können Punkte aus dieser Karte abgegriffen und zur Kalibrierung verwendet werden. Geeignet sind auch Vektorkarten (Routenplaner), wenn diese für das Kartengebiet genau genug sind. Sehr genau sind Routenplaner an Kreuzungen und in Stadtgebieten, wenn dort auch kleine Strassen erfasst sind. Bei der Verwendung der in TTQV integrierbaren Vektorkarten (Navtech oder Teleinfo) gibt es auch eine sehr einfache Möglickeit mittels Routing Tracks zu erzeugen, die dann wie selbst aufgenommene Tracks zum Kalibrieren verwendet werden können (siehe 5.). Für meine Karten (Griechenland) sind auf den beiden Vektorkarten keine Daten enthalten. Bei Verwendung des Marco Polo Reiseplaners können die von Marco Polo erzeugten Wege exportiert (Auflösung Detail) zumindest als Routen in TTQV importiert werden. Leider ist der Marco Polo Reiseplaner nicht für alle Gebiete Griechenlands detailliert genug.


    Bei der Verwendung von Koordinaten anderer Karten ist zu beachten, dass Koordinatenanzeige (Minuten, Sekunden oder dezimal) und Kartendatum der Karten mit der TTQV-Einstellung übereinstimmen müssen.


    5. Verwendung von Track- oder Wegpunktenpunkten zur Kalibrierung: Im Normalfall sind selbst gemessene GPS-Trackpunkte (ohne Abschattungen) eine zuverlässige Quelle zur Kalibrierung. Geeignet sind eindeutig zuzuordnende Wegpunkte, Tracks an Abzweigungen oder Tracks kurvenreicher Strecken (wenn die Kurven in der Karte richtig dargestellt sind). Die Übernahme von Koordinatenwerten von Tracks oder Wegpunkten ist in TTQV sehr einfach: markanten Track- oder Weg-Punkt mit Maus rechts anclicken, "Koordinate kopieren" wählen; Kalibrierung aufrufen, in das Koordinatenfeld, rechte Maustaste: "Wert einfügen", "Px" (Kalibrierungspunkt) anclicken, jetzt den richtigen Punkt auf der Kartendarstellung (nicht den Track!) clicken. Nach dem Speichern wird der Track auf diesem Kartenpunkt liegen.


    6. Fehlerbetrachtung: man sollte sich aber bewusst sein, dass die Qualität der Kalibrierung von der Qualität der Karte und der Übereinstimmung mit der Realität abhängt. Erwische ich zur Kalibrierung Punkte mit geänderter Strassenführung, ergeben sich an anderer Stelle der Karte grosse Abweichungen. Bei Fehlern in der Karte ist es auch problematisch, eine zu komplexe, also eine 9-Punkt Kalibrierung zu verwenden. Diese versucht aus den Kalibrierungspunkten eine Projektion der Karte zu berechnen und dieses Vorhaben kann nur dann zu einem sinnvollen Ergebnis führen, wenn die Punkte stimmen. Schon bei einem falschen Punkt können intransparente Verzerrungen auftreten. Im Extremfall lässt sich die Kalibrierung nicht abschliessen (Fehlermeldung, weil mathematisch keine Lösung gefunden werden kann). Ein Hinweis auf fehlerhafte Kalibrierung sind auch allzu krumme Gitterlinien in der TTQV Anzeige, insbesonders an den Kartenrändern ausserhalb der Kalibrierungspunkte. Da man meist nicht weiss, welche der 9 Punkte gut oder schlecht sind, ist die Fehlerbeseitung schwer.


    7. Die Qualität der Kalibrierung einer schlechten Karte kann verbessert werden, wenn kleinere Ausschnitte kalibriert werden. Nachteil ist allerdings, dass die Karte per Grafikprogramm geteilt werden musss und ein häufiger Kartenwechsel erforderlich ist.


    8. Eine andere Methode ist eine "lokale Kalibrierung" mit eigenen gemessenen Punkten. D.h. ich verwende möglichst nur selbst gemessene Punkte. Dies ist anfangs nur kleinräumig möglich. Je weiter ich aus dem "Kalibrierungsbebiet" heraus fahre, um so grösser werden die Abweichungen. Wenn ich mit diesen neuen Punkten nachkalibriere, wird die Kalibrierung sukzessive besser werden.


    9. Bei den unter 7. und 8. genannten Methoden verwende ich keine flächendeckende 9-Punkt Kalibrierung, sondern ich gehe von der Annahme einer flächentreuen Darstellung aus. Für Wanderkarten und grosse Massstäbe ist die "Transverse Mercator" mit dem Parameter East nn° (nn-Berührungsmeridian, meist aktuelle Breite) sehr wahrscheinlich. Bei dieser Annahme sind nur 3 Kalibrierungspunkte notwendig, die aber möglichst weit auseinander liegen sollten. Diese Kalibrierung hat den Vorteil, dass bei Abweichungen vor Ort sehr schnell und transparent nachkalibriert werden kann.


    10. Bei den Versuchen mit mehreren Kalibrierungsarten zu besseren Ergebnissen zu kommen, hat es sich bewährt, einmal erzeugte Kalibrierungen zu sichern und im Bedarfsfall zu reaktivieren. Dazu lege ich von jeder Kalibrierunsdatei (...cal) eine Kopie in einem anderen Verzeichnis an (mit Namensergänzungen zur Erkennung). Wenn eine alte Kalibrierung wieder verwendet werden soll, muss die Karte im TTQV-Explorer neu importiert werden. (Also Schritt für Schritt: zunächst Karte im TTQV-Explorer löschen, dabei wird nur der Zeiger gelöscht, die Kartendatei auf der Festplatte bleibt unberührt. Anschliessend muss die Kalibrierungsdatei im Kartenverzeichnis ausgetauscht und die Karte nochmals importiert werden.)



    Ein Hinweis zum Schluss:
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    Insbesonders mit den Hilfskonstruktionen darf man keine Genauigkeit einer deutschen, fertig kalibrierten Topographischen Karte erwarten. Dennoch ist die Anwendung von GPS auch bei schlechter Kalibrierung, insbesonders in abgelegenen Gegenden, eine wertvolle Hilfe. Wenn man den Track während der Fahrt beobachtet (Beifahrer natürlich!) kann der Mensch auch bei einem Versatz diesen automatisch korrigieren und auch Abzweigungen eindeutig erkennen.


    Gruss Gerhard


    ========Ende - Kalibrierung gescannter Karten (mit Stolpersteinen)=======